Sonntag, 5. Juni 2011

Der Öki und sein Glück in Ermont

Jeder von uns FÖJlern hat die Chance mindestens einmal während des freiwilligen Jahres richtig happy zu sein und wenn es nur an der Bezeichnung des Austausches „Ökiglück-Tauschrausch“ liegt, auf den ich anspiele. Dieser bietet nämlich die Möglichkeit eine Woche lang die Einsatzstelle eines anderen FÖJlers zu besuchen und dort bei der Arbeit mitzuhelfen. Im Austausch kommt dieser FÖJler zu einem späteren Zeitpunkt üfr eine Woche zur eigenen Einsatzstelle. Das System ist, denke ich, einfach zu verstehen, ebenso wie die Tatsache, dass ich auf mein so quasi vorgefertigtes Glück nicht verzichten wollte. Wie vorher bereits angekündigt habe ich deshalb Mitte April eine Woche beim Maison des Jeunes et de la Culture, der Einsatzstelle von Vanessa (kleine Erinnerung: blog ist in der Liste rechts zu finden) in Ermont, 20 Kilometer von Paris entfernt, verbracht. Da zu der Zeit in Frankreich gerade die Vacances de Pâques (Osterferien) herrschten, haben wir eine Woche lang eine Art Ferienprogramm für neun Kinder auf die Beine gestellt. Nennen wir es einfach wie auf französisch ein stage. 
Vor dem stage gab es für mich aber erst ein Bisschen von Paris zu sehen. „Ein Bisschen“ ist 
eigentlich ein bisschen untertrieben. Aus einem chilligen Afro Beat Music-Abend mit Christo, einem togolesischen Mitarbeiter des MJC im behaglichen Satelit Cafe und anschließendem Discoabend in selbiger Location wurde nämlich dank der ab 2 Uhr nachts geschlossenen Metroschächte eine unfreiwillige nuit blanche. Sprich: Vanessa und ich sind stundenlang bei Nacht durch Paris gerannt, immer auf der Suche nach der nächsten Ausruhgelegenheit, die nicht in wenigen Minuten schließen oder uns gleich wieder rausschmeißen würde. In der Nobelkneipe „La Bastille“ haben wir es ganze 55 Minuten geschafft unentdeckt zu bleiben und teilweise sogar ein wenig zu schlafen, alles ohne etwas gekauft zu haben. Schaut euch den Preis für ein einfaches Glas Wasser (Evian) an, ihr werdet schnell verstehen, warum das eine beachtliche Leistung ist. An die gemütlichen Ledersitze, die Nacht als Ganze und eine fiebrige Suche nach einem Haarband werde ich mich wohl noch lange erinnern und um halb sechs morgens fuhr zum Glück der erste Zug vom Gare du Nord nach Ermont, wo Vanessa und ich nur noch halb tot ins Bett fielen.

Und dann ging das stage los. Fünf Tage lang neun kleine Kinder zu beschäftigen ist nicht einfach und schon gingen die Zankereien los. Am ersten Tag halfen wir Vanessa bei der Arbeit in ihrem Garten, rupften Unkräuter raus, steckten Zwiebeln in die Erde, pflanzten Flieder um und, was eigentlich nicht geplant war, fingen an uns mit Erde zu beschmeißen. Für allzu viel Blödsinn hatten die Kinder zum Glück keine Zeit, denn die drei Stunden, die wir täglich mit ihnen verbrachten, waren meist relativ schnell um. Um Vanessa und mich als Betreuer ordentlich zu schaffen reichte es trotzdem und schon hatte ein Kind Sand im Auge und ein Gebissabdruck zierte den Arm eines anderen. Der Rest des stages deshalb lieber im Schnelldurchlauf:
Dienstag ging es mit einer Gruppe des Centre de Loisirs und unseren neun Kiddies in den Wald um anhand kleiner Spiele Bäume, Pflanzen und Insekten besser kennenzulernen. Mittwoch und Donnerstag standen unter den Aspekten Ecoconstruction und Musique Verte, was wir auch oft beim Loubatas mit den Sejourkindern machen. Bei der Ecoconstruction war es unser Ziel ein Vögelhäuschen mit ökologischen Mauern (Holzgerüst, Lavendelheu als Isolation und ein Mörtel aus Sand, Erde, Lavendelheu und Kalk) zu bauen; während des Musique Verte-Ateliers stellten die Kinder Musikinstrumente aus kleinen Bambusstücken her. Mit einem Krötensound-immitierenden Bambusstab in der Hand verschwand schließlich jedes Kind nach Hause. Vanessa hatte zudem noch mit einigen Kindern ein wenig Löwenzahngelee gekocht, das nach energischer Beobachtung und einem erneuten Aufkochen schließlich die richtige Konsistenz annahm. Und ehe Vanessa und ich uns versahen hatten wir mit Freitag auch schon den letzten Tag des stages erreicht. Noch schnell ein paar letzte Schliffe für das Vogelhäuschen und die Instrumente und schließlich musste ich auch schon aufbrechen. Dass ich die Kinder trotz der Strapazen, die sie uns mitunter bereitet hatten, doch sehr lieb gewonnen hatte merkte ich am Bahnhof, wohin sie und Vanessa mich noch hinbegleiteten. Schön zu sehen war auch, dass es ihnen genauso erging und so gab es eine bisou-Runde mit neun kleinen traurigen Gesichtern und ein anschließendes Grimassenfoto, das die Laune der Kinder zum Glück wieder etwas steigen lies. 
Damit hatte ich mich zuletzt erfolgreich aus dem Staub gemacht und die arme Vanessa mit der Rasselbande für die letzten beiden Stunden und ein mitunter etwas chaotisches Picknick in ihrem Garten alleine gelassen. Wir waren anschließend gleichermaßen froh uns während des Wochenendes in kinderfreier Zone in Marseille (dahin fuhr Vanessa wenige Stunden nach mir dann nämlich auch) ein wenig ausruhen zu können.

Dann dauerte es fast einen Monat bis mich meine Reise erneut nach Ermont führte. Zwei Wochenenden bei Vanessa umrundeten Knappe fünf Ferientage in Deutschland, während denen ich mich mit Regen, Bürokratie und unzähligen schwarz-gelben Fans am Dortmunder Bahnhof rumschlagen musste. Bleiben wir mit der Berichterstattung also lieber im warmen Paris.Während des ersten Wochenendes schaute ich kurz in Ermont vorbei um unter anderem an einem kleinen diabetischen Kochatelier teilzunehmen, für das sich Vanessa ein tolles Menü mit Salat, gefüllten überbackenen – um nicht zu sagen geilen Nudelröllchen und Quark mit garteneigenen Erdbeeren überlegt hatte. Zusätzlich gab es noch ein kleines Atelier Jardinage in Vanessas Garten, sodass nun jeder Hobbygärtner in Ermont über Alternativen zu gefährlichen Pestiziden Bescheid weiß und wenigstens einmal die Larven in Vanessas Insektenhotel gesehen hat.

Am 21. Mai war schließlich der große Tag des Fête du Developement Durable in Ermont gekommen, wo wir (damit meine ich das Team vom MJC und ich) einen kleinen Stand für die Präsentation der stage-Ergebnisse und des MJC en général gehalten haben. Ihr werdet es mir verzeihen, dass ich den Tag nicht in allen Einzelheiten schildere. Die besten Erinnerung sind auf jeden Fall ein aus Holz gebautes Kinderkarussell, das von wipp-begeisterten Eltern betrieben wurde, während der Erfinder die kreiselnden Kinder mit sanfter Musik auf dem Klavier begleitete, und die Gemüsepfanne von Vanessas Mutter, die uns nach dem langen Tag erwartete – danke Frauke!
Und damit war das quasi schon in die Länge gezogene Ökiglück nun doch endgültig vorbei und nach einem Drei ???-Abend ging es für mich am nächsten Tag wieder gen Süden Richtung Loubatas. Richtung Süden gen Loubatas? Ach, wie ihr wollt. 

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